Im Interview mit Till Kaposty-Bliss
Im Schlaraffenland der Illustration

Im Interview vorgestellt: Till Kaposty-Bliss, Grafiker, Verleger und Herausgeber des „MAGAZINs“. Till ist gern gesehener Gast der AID Berlin und Partner im aktuellen Illustrationsprojekt des sechsten Semesters. Eine gute Gelegenheit, mehr zu erfahren über die Tätigkeit eines Verlegers, die Zukunft von Printmedien und den Stellenwert von Illustration.

Seit 2014 bist du, zusammen mit Andreas Lehmann, der Kopf der Zeitschrift „DAS MAGAZIN“. Der ostdeutsche Publikumsliebling mit illustrativem Gesicht brachte es vor dem Mauerfall auf über eine halbe Million gedruckter Exemplare und steht in der Tradition des gleichnamigen Trendsetters aus dem Berlin der Zwanziger Jahre. Wie erwirbt man eine Zeitschrift mit solcher Vorgeschichte?

Ich bin auf „DAS MAGAZIN“ gestoßen wie viele Andere auch – als Leser. Ich habe es von Anfang an gemocht, an Freunde verschenkt und schließlich abonniert. Der Grund für meinen ersten beruflichen Kontakt mit den Herausgebern war der Anzeigentausch mit einer anderen Zeitschrift, an der ich 2004 kurz beteiligt war. Ich hatte eine kurzen Weg – der Verlag saß in direkter Nachbarschaft meines Büros. Dann, eines Tages, rief mich die Chefredakteurin an, und unterbreitete mir das Angebot, den Job als leitender Grafiker zu übernehmen. Inzwischen hatte ich mich auch mit einem der Redakteure, dem Journalisten Andreas Lehmann, angefreundet. Wir waren uns von Anfang an sympathisch. 2013 folgte das Angebot, die Zeitschrift komplett zu übernehmen. Also prüften wir die Bilanz des Verlags, holten uns finanzielle Unterstützung und sprangen ins kalte Wasser des Unternehmertums! So sind wir über Nacht Verleger geworden. Mit dem Umzug in die Berliner Friedrichstraße im Mai 2014 waren alle Weichen für den Neuanfang gestellt.

Du bist für das Layout der Zeitschrift, für den Einsatz von Grafik und Illustration, Fotografie und Typografie verantwortlich. Welche Berufserfahrung bringst du für diesen Job mit?

Ich habe kein Studium absolviert, sondern eine Ausbildung bei einer Kölner Grafikdesignerin gemacht. Neben dem Kreativen wollte ich auch was vom Marketing verstehen. So habe ich abends die Schulbank gedrückt und eine Fortbildung in Werbewirtschaft gemacht. Die ersten Gehversuche als selbständiger Grafiker machte ich im Berlin der 90er Jahre, alles begann mit einem Hinterhofatelier im Prenzlauer Berg. Zehn Jahre war ich Hausgrafiker einer Tourismus-Agentur, parallel gestaltete ich Bücher, Platten- und CD-Cover. Für meine heutige Verlegertätigkeit waren – und sind bis heute – noch zwei Dinge von großem Nutzen gewesen: Zum einen habe ich vor ein paar Jahren ein Coaching absolviert, das mich ermutigte, ohne Scheu und mit Mut zum Risiko meinen beruflichen Weg einzuschlagen. Zweitens war ich schon immer ein leidenschaftlicher Sammler von Zeitschriften und Comicheften – mein Fundus könnte schon heute ein ganzes Museum füllen – sowie von Schriftzügen und Buchstaben. Mit letzteren bin ich an der Sammlung des Berliner Buchstabenmuseums beteiligt, dort gleichzeitig im Vorstand.

Inhaltlich dreht es sich im „MAGAZIN“ um Literatur, Reportagen, Feuilleton und Satire. Wie geht die Redaktion vor, wenn die bildliche Seite zwischen Illustration und Fotografie entschieden werden muss?

In der Regel bekommen wir Artikel von Journalisten angeboten. Manche arbeiten direkt mit Fotografen zusammen, wir bekommen dann beides geliefert. Wenn wir die Bilder selbst verantworten, entscheiden zwei Faktoren über den Einsatz von Fotografie oder Illustration. Fotografie ist preiswerter zu haben. Neben dem Kostenfaktor spielt Zeit eine wichtige Rolle. Für die Beauftragung von Illustratoren darf der Termin nicht zu knapp liegen. Tatsächlich sind uns illustrierte Bilder am liebsten. Illustration bedeutet mehr Darstellungsmöglichkeiten. Da kann im Bild gezeigt werden, was es in Wirklichkeit nicht gibt. Ich bin immer wieder überrascht, was Illustratoren aus denen Themen herausholen – vor allem bei komplexen Themen ist das ein echter Vorteil gegenüber der Fotografie.

Welchen ästhetischen Anspruch haben die Leser des „MAGAZINs“ an die Bilder im Heft?

Kritik zu den Bildern im Heft, zum Beispiel durch Leserbriefe, erhalten wir eher selten. Klar, Aktfotografie „muss“ – wie in den Jahrzehnten zuvor – immer wieder rein. Wir ernten auch viel Lob von externen Autoren zur Qualität der Zeichnungen. Aber letztendlich gestalten wir die Bilder so, wie wir sie uns vorstellen. Unser fester Stamm an Illustratorinnen und Illustratoren, auf den wir regelmäßig zurückgreifen, prägt das Gesicht des MAGAZINs, wobei die Karten immer wieder neu gemischt werden, um auch andere Stile ins Spiel zu bringen.

Jeden Monat neue (Bild-) Geschichten in Magazinform zu erzählen, ist sicher auch eine logistische Herausforderung. Wie ist der Ablauf von der Idee bis zum gedruckten Heft?

Jedes Heft steht unter einem bestimmten Monatsthema. Zunächst werden alle Beteiligten rechtzeitig zum anstehenden Monatsthema gebrieft. Zur Redaktionsbesprechung referiert der Chefredakteur die Angebote, ich schaue dann, was ich von zeichnerischer oder fotografischer Seite her anbieten kann. Sind Bilder zum Text bereits vorhanden? Sollen Fotografen oder Illustratoren gebucht werden? Möglicherweise kann das Thema auch komplett vom Bild kommen. Rückt der Drucktermin näher, müssen natürlich unsere Kolumnisten noch pünktlich liefern. Gedruckt wird mittlerweile im Rollen-Offset-Verfahren, wodurch wir die Produktionszeit weiter reduzieren konnten. Eine Woche nach Druckabgabe sind die Hefte bereits bei den Abonnenten, ein paar Tage später dann im Handel.

Im Impressum des „MAGAZINs“ werden Autoren und Zeichner gemeinsam und unterschiedslos gelistet. Haben bei euch beide Berufsstände gleichermaßen das Sagen?

Ja, es macht für mich keinen Unterschied, ob jemand Bild- oder Textautor ist. Die Tätigkeit von beiden ist mir gleich wichtig. Meine Bewunderung für das kreative Schaffen unserer Journalisten und Zeichner ist groß. Ich möchte hier alle einschließen, die uns beliefern – im Impressum sind ja lediglich die festen Mitarbeiter gelistet.

„DAS MAGAZIN“ ist seit langem im Bildgedächtnis seiner Leser fest verankert – in der Vergangenheit durch so bekannte Fotografen wie Günter Rössler oder durch die 423 gezeichneten Titelblätter des Illustrators Werner Klemke. Welchen Kontakt pflegt eure Zeitschrift zur heutigen Szene der Zeichner und Bildgestalter?

Viele bekannte Illustratoren gehören bereits zum festen Stamm unserer Zeitschrift. Schon fast eine Institution ist unser jährliches Sommerfest, bei dem Zeichner, Autoren und Fotografen gern zusammenkommen, feiern und fachsimpeln. Darüber hinaus pflegen wir Kontakte zu Illustrationsschulen und kooperieren in gemeinsamen Projekten, wie zum Beispiel mit der FH Münster oder aktuell mit Studierenden der AID Berlin. Genauso enge Kontakte unterhalten wir mit einer Reihe von Fotografen, die uns regelmäßig wunderbare Bildstrecken anbieten.

In der Februarausgabe des Hefts wurde die illustrierte Abschlussarbeit der AID Berlin Absolventin Saskia Rudies zum Thema „Jenseitsvorstellungen“ veröffentlicht. Gerade startet ein Entwurfsprojekt mit Studierenden, das sich sogar über mehrere Ausgaben der Zeitschrift erstrecken soll. Worum geht es?

Studierende des 6. Semesters steuern Illustrationen thematisch passend zu unseren Sommerheften Juni, Juli und August bei. Das Besondere am Projekt ist, dass die Studierenden sich an die realen Produktionszeiten halten müssen, d.h. zwischen Aufgabenstellung und Abgabe liegen nur wenige Tage. So bildet das Studienprojekt ein Stück echte Arbeitswelt ab. Mich persönlich beglückt, mit so vielen Kreativen auf einmal zusammen arbeiten zu können – man fühlt sich ein bisschen wie im „Schlaraffenland der Illustration“.

Nicht jeder Illustrator wird das Glück haben, bei Zeitschriftenverlagen offene Türen einzurennen. Welche Praxistipps kannst du Nachwuchstalenten mit auf den Weg geben, die sich mit editorialer Illustration einen Namen machen wollen?

Jedes Jahr stoßen etliche Absolventen neu auf den Illustrationsmarkt. Dort tummeln sich bereits die etablierten Illustratoren. Da kann es schon mal eng werden. Ich möchte jedem Studierenden Mut machen, dranzubleiben – trotz Anfrageflut bei den Verlagen, die auch ich zu spüren bekomme. Am besten man wählt sich eine Zeitschrift, die zu einem passt, bevor man eine Anfrage startet. Es gehört auch immer eine Portion Glück dazu. Gut gewappnet ist, wer sich auch auf längere Durststrecken einstellt und diese mit anderen Jobs füllen kann.

„DAS MAGAZIN“ tritt nicht nur am Zeitschriftenkiosk, sondern vielfältig in Erscheinung. Was ist dein Rezept, wenn es darum geht, in einer sich wandelnden Welt des Publizierens nicht den Anschluss zu verpassen?

Wir sind an vielen Stellen mit dem Kulturgeschehen der Stadt verknüpft – in Berlin und anderen Städten. Die "Lange Lesenacht" in Leipzig sei hier als ein Beispiel genannt. Wir geben nicht nur „DAS MAGAZIN“ heraus, auch unsere Siebdruck-Editionen von Kat Menschik und seit letztem Jahr der »MAGAZIN-Kalender« in Zusammenarbeit mit dem Verlag Bild und Heimat erfreuen sich großer Beliebtheit. Darüber hinaus sind weitere Verlagsveröffentlichungen in Planung, wie beispielsweise eine neue Heftreihe mit Beiträgen aus den 20er Jahren.

Vielen Dank für das Interview!

Interview: Tilo Schneider
Bilder: Till Kaposty-Bliss