• Start
  • Interviews
  • Michael Sowa: Subtil komisch bis phantastisch romantisch

Im Interview mit Michael Sowa
Subtil komisch bis phantastisch romantisch

Im Interview vorgestellt: Michael Sowa zählt zu den bekanntesten deutschen Illustratoren. Der Maler und Zeichner blickt auf zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften, Büchern und auf Buchcovern zurück. Beim entspannten Atelierbesuch mit Kaffee und Kuchen sprachen wir mit dem Meister des Subtilen und Komischen. Über die Lust am unperfekten Bild, die Effizienz von Postkarten, über unterschätzte Tiere und das Leben auf dem Lande.

Deine Bilder sind aufwändig gefertigt und erinnern in ihrer präzisen, realistischen Malweise zunächst an alte Meister. Erst beim genauen Hinschauen erschließt sich der ganze Humor des Bildes. Wozu der Aufwand, wenn andere mit einer schnellen Zeichnung für einen Lacher sorgen?

Wer Lust und Freude an der eigenen Arbeitsweise verspürt, denkt nicht so strategisch und kalkuliert den Aufwand eines Bildes. Ich bin ja nicht nur Cartoonist und satirischer Zeichner, sondern auch Maler. Daraus ergibt sich ein seltsames Mischungsverhältnis zwischen mitunter sehr aufwändiger Malerei, die mir in der Regel Spaß macht und einem Ergebnis, für das sich der Aufwand vielleicht gar nicht gelohnt hat. Die Frage nach dem Ökonomischen stellt sich manchmal schon, schließlich male ich nicht völlig unabhängig von Zeit und Raum. Wenn ich wieder und wieder am gleichen Bild arbeite, treibt mich das einerseits voran, andererseits sind das eher quälende Momente …

Und so sollen unter manchem deiner Bilder schichtenweise andere liegen. Der Autor Axel Hacke, mit dem du mehrere Bücher gemacht hast, sieht in dir nicht bloß einen Maler, sondern einen „Übermaler“. Wann ist ein Bild von dir fertig, wann ist es perfekt? 

Ein Bild ist selten perfekt. Ja, ich freue mich, wenn ich ein Bild fertiggestellt habe. Dann sage ich zu mir, das geht so, oder: wer weiß, wenn ich noch länger daran male, wird es vielleicht schlechter statt besser. Es ist gut, wenn ich mich von meinen Bildern trennen muss, da mir sonst ständig noch was Neues einfallen würde.

Deine Bilder sind Einzelstücke. Was passiert mit den Originalen nach der Veröffentlichung der Bilder?

Das ist unterschiedlich. Zumeist gehen die Originale direkt an den Käufer oder die Galerie. Die Entscheidung über eine Veröffentlichung treffe ich nicht unbedingt selbst. Welche Arbeiten zum Beispiel als Postkarten in den Druck gehen, liegt auch im Ermessen des Verlags. Bei Buchillustrationen ist es manchmal der Autor selbst, der die Originale kauft. Es gibt Bilder, die ich gern behalten würde. Da ich von der Malerei lebe, kann ich mir natürlich nicht leisten, alle meine Bilder zu behalten. 

Du hast sehr viel veröffentlicht. Was zeichnet für dich ein reibungsloses Verhältnis zwischen Verlag und Illustrator aus? 

Gute Zusammenarbeit bedeutet für mich, dass wir ein gutes Buch produzieren, die Herstellung klappt, die Druckerei ordentlich arbeitet und dass die Bezahlung stimmt. Ich möchte außerdem genug Zeit haben und genieße die Freiheit, zu eilige Aufträge ablehnen zu können. Aber von Verlagsseite kriege ich in der Regel die Zeit, die ich brauche.

Subtiles für Erwachsene, Komisches für Kinder. Gibt es für dich Unterschiede in Sachen Humor zwischen beiden Zielgruppen?

Für Kinder wird es schwierig, wenn bei der Rezeption eines Bildes um drei Ecken gedacht werden muss oder wenn es um politische Themen geht. Umso mehr freut es mich, wenn Kinder dennoch etwas Anderes, Eigenes in meinen Bildern entdecken und lustig finden. Immer wieder höre ich davon, dass sich Kinder gerne meine Werkkataloge anschauen, obwohl die gar nicht für Kinder gemacht sind. Sie bauen sich dann eben ihre eigenen Geschichten aus dem Gesehenen. 

Grundsätzlich trenne ich nicht zwischen Kunst für Kinder und Kunst für Erwachsene. Die Ausnahme wäre ein Buch für eine bestimmte Altersgruppe. Dann richtet sich der Text an Kinder. Das sollten auch die Bilder tun, wobei ich an meiner Maltechnik kaum etwas ändern würde.

Für den Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“ hast du Bilder gemalt und eine Lampe in Form eines Schweins erschaffen. Wie bist du überhaupt zu diesem Auftrag gekommen?

Vermutlich über meine Postkarten. Man mag über Postkarten sagen was man will – im Kunstbetrieb ist man ja mit Postkarten schnell „unten durch“ und wird als Leichtgewicht oder Selbstvermarkter abgestempelt, aber dieses Medium hat ein riesiges Verbreitungspotential über viele Ländergrenzen hinweg. So fanden meine Bilder auch ihren Weg nach Frankreich und wurden möglicherweise vom Regisseur Jean-Pierre Jeunet entdeckt. Denkbar ist auch, dass er sie in meinem bereits zuvor in Frankreich veröffentlichten Katalog gesehen hatte. Postkarten im Portfolio eines Illustrators sind immer noch eine gute Sache.

Witz und Satire wirken auf jeden unterschiedlich, vor allem in anderen Kulturkreisen. Warum werden deine Bilder gerade in Japan sehr verehrt?

Meine Bilder können überall in der Welt verstanden werden. Ich sehe es als Teil der Globalisierung an, dass sie sich auch in Japan verbreiten. Da in meinen Bildern Tiere vorkommen, mag es Berührungspunkte mit buddhistischen Vorstellungen geben. Interessant ist auch die Beobachtung, dass sich in Japan vor allem Frauen für meine Bilder begeistern. Zumindest habe ich die Erfahrung gemacht, dass die vorwiegend männlichen Besucher von Buchpräsentationen immer gern ein signiertes Exemplar für ihre Frau mit nach Hause nehmen …

Aus meinem Kontakt zu japanischen Verlagen sind in den letzten Jahren eine Reihe von Ausstellungseinladungen hervorgegangen. Im Moment stelle ich Arbeiten für eine Ausstellung in einer kleinen Galerie in Tokio zusammen. Für 2019 und 2020 ist eine größere Ausstellung geplant, die durch verschiedene Kunstmuseen Japans wandern soll.

Zur diesjährigen Sommerakademie der AID Berlin wirst du gemeinsam mit Klaus Baumgart einen Kinder- und Jugendbuchkurs leiten. Habt ihr schon früher zusammengearbeitet und welche Erwartungen hast du an die Sommerakademie?

Ich kenne Klaus Baumgart seit drei Jahren. Wir haben uns über einen gemeinsamen Kollegen kennengelernt und sind inzwischen auch privat befreundet. Die Sommerakademie ist unsere erste Zusammenarbeit. Der Kurs, bei dem jeder seine eigene Buchidee entwickeln kann, scheint jetzt schon sehr vielversprechend. Ich freue mich auf die vielen interessierten Teilnehmer – immerhin hat die Akademie aufgrund der großen Nachfrage bereits einen zweiten Kurs eröffnet.

Dein Kunstpädagogikstudium begann Mitte der Sechziger Jahre. Dem Zug der Zeit folgend, war man weniger mit Malen und mehr mit dem Retten der Welt beschäftigt. Auch die Zeit eines Illustrationsstudiums ist begrenzt – was würdest du heutigen Studenten mit auf den Weg geben?

Meine Studienwahl war ein Kompromiss für die Eltern, die Wert auf einen Beruf legten, mit dem ich mein Brot verdienen sollte. Meine Eltern konnten sich nicht vorstellen, dass ich von der Malerei leben könnte. Bei meinem kurzen Auftritt als Lehrer wurde schnell klar: beides parallel – guter Pädagoge und fähiger Maler – geht nicht. Mir fiel die Entscheidung umso leichter, als sich dann auch erste Erfolge als Maler einstellten.

Heutigen Studenten gebe ich den Tipp, ihr eigenes zeichnerisches Handwerkszeug möglichst breit zu entwickeln und herauszufinden, was zu ihnen passt. Und was damals schon galt: informiert euch, macht euch schlau über eure Zeit! Illustrator zu sein und nichts von der Welt zu wissen – das ist unmöglich!

Wovon träumt ein bereits erfolgreicher Zeichner? Vom Leben auf dem Lande? 

Auf´s Land, in mein eigenes Domizil außerhalb Berlins, zieht es mich immer öfter. Jetzt, wo meine Kinder größer sind, bin ich nicht mehr so sehr ans Wochenende gebunden. Beim Malen auf dem Lande bin ich ehrlich gesagt etwas undiszipliniert. Dort werde ich eher abgelenkt, natürlich von angenehmen Dingen.

Sind dir Tiere manchmal näher als Menschen? Und was hat es mit dem Schwein auf sich, das mehrfach in deinen Bildern auftaucht?

Ehrlich gesagt habe ich Probleme damit, Menschen zu malen. Menschen geraten bei mir leicht zur Karikatur. Es gibt noch eine andere Erklärung. Meine ersten Bilder waren Landschaften. Landschaften, die wie eine leere Bühne wirkten, eine Kulisse ohne Darsteller – da musste etwas hinein! Tiere schienen mir selbstverständlicher und weniger mit Bedeutung überfrachtet zu sein. Ein Mensch im Bild wirft sofort Fragen auf, Tiere bieten sich da leichter als Sujet an. 

Eines meiner ersten Schweine habe ich dem Satiremagazin „Titanic“ zu verdanken. Bildtitel: Köhlers Schwein. Der namensgebende Redakteur schrieb damals einen Artikel über das Nacktbaden von Tieren. Ich sah das Foto vom echten, springenden Schwein und war begeistert. Weitere – gemalte – Schweine leisteten später für eine Werbekampagne des amerikanischen Software-Herstellers Borland gute Dienste. Das schwer unterschätzte Tier stand für schnelle und kinderleichte Bedienung.

Wie sieht ein guter Tag im Atelier Sowa aus?

Betrachten wir lieber einen guten Abend. Ich male dann bis nachts halb zwei. Dazu läuft bei mir gern der Fernseher, also ich schaue und male parallel. Nur Fernsehen – ohne eine andere Beschäftigung – wäre Zeitverschwendung! Ich habe schon darüber nachgedacht, während des Malens Musik oder Nachrichten zu hören. Aber bisher ist es beim Nachdenken geblieben, da meine einzige freie Steckdose leider tot ist. Nicht nur das Radio, auch mein Leuchttisch ist seit Jahren aus, wobei ich den kaum noch brauche, aber das führt jetzt zu weit …

Letzte Frage: Stimmt es, dass Schweinebraten dein Lieblingsessen ist?

Nein, aber wenn er gut gemacht ist, esse ich ihn gerne.

Interview: Tilo Schneider

Bilder: Michael Sowa