Im Interview mit Kat Menschik
Ideenfindung kann man lernen!
Im Interview vorgestellt: Kat Menschik gehört zu den erfolgreichsten Illustratoren im deutschsprachigen Raum. An ihrem Schreibtisch, irgendwo zwischen rechtem Winkel und Zettelhimalaya, zeichnete sie bereits für Kunden wie Haruki Murakami oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die AID Berlin sprach mit ihr über Wunschprojekte, Zeichenblockaden und den Stoff, aus dem erfolgreiche Illustratoren gemacht sind.
Sie sind schon viele Jahre erfolgreich als Illustratorin tätig. Wie hat sich der Berufsstand Ihrer Meinung nach verändert und welchen Einfluss hatte dies auf Ihre persönliche Arbeit?
Zum Ende meines Studiums wurden die ersten Illustrationsstudiengänge gegründet, vorher gab es das als Studienfach überhaupt nur sehr selten. Im Lauf der Jahre sind dann extrem viele und sehr gute Illustratoren "nachgewachsen". Ich freue mich darüber immer sehr. Mir macht es auch keine Angst nach dem Motto: Das könnten alles potenzielle Konkurrenten sein. Es ist schön zu sehen, welche Rolle Illustration heute wieder spielt und wie unterschiedlich meine Kollegen damit umgehen.
An meiner Arbeit ändert das aber so gut wie nichts. Die mache ich einfach so weiter wie gehabt.
Neben Ihrer reichen Berufserfahrung als Illustratorin waren Sie auch schon als Herausgeberin tätig. Welche Tipps können Sie auf dieser Basis angehenden Illustratorinnen und Illustratoren für die Zusammenarbeit mit Verlagen mit auf den Weg geben?
Es gibt meines Erachtens nach einige Eigenschaften, die man braucht, um grundsätzlich den Beruf als Illustratorin ausüben und davon leben zu können. Und das meine ich ganz ernst: Pünktlichkeit, Disziplin und Fleiß sind dafür grundlegend. Außerdem ist Freundlichkeit im Umgang mit Kollegen, mit denen man gerade zu tun hat, sehr wichtig. Weil wir keine freien Künstler sind, sollten wir immer teamfähig sein, auch wenn wir alleine vor uns hin arbeiten. Und dann braucht es natürlich noch Selbstbewusstsein, überhaupt loszugehen und seine Arbeit anzubieten, Geld zu verhandeln, Diskussionen zu führen, aber eben auch kompromissfähig zu sein.
Und vielleicht gehört auch ein bißchen Glück dazu, irgendwann mal jemanden zu treffen, der an einen glaubt und das Risiko eingeht, jemand völlig Unbekannten zu fördern und zu unterstützen. Aber danach suchen die Verlage ja auch immer selbst.
Wenn man sich bereits einen so großen Namen wie den Ihrigen erarbeitet hat, muss man sich dann überhaupt noch für Aufträge bewerben oder kommen die Aufträge zu Ihnen?
Nein, zur Zeit muss ich mich nicht bewerben, ich habe so viel zu tun und bekomme ausreichend Angebote. Aber okay, sowas kann sich auch ändern.
Wonach wählen Sie Ihre Aufträge aus?
Da gehe ich nach Schönheit des Projekts oder manchmal auch nach Honorar, klar.
Wenn man schon so viele großartige Projekte illustriert hat, gibt es dann überhaupt noch Ziele, die Sie bisher nicht erreicht haben, die aber auf jeden Fall noch auf Ihrer Wunschliste stehen? Und wenn ja, welche?
Im Moment bin ich wirklich wunschlos glücklich, da ich meine eigene Buchreihe herausgeben und illustrieren darf. Innerhalb dieses Projektes kann ich mir alles, wirklich alles aussuchen, was ich machen möchte und mir jeweils neue Illustrationswünsche selbst erfüllen. Ein echter Traum!
Bevor Sie mit der Arbeit zu einem Auftrag beginnen, gibt es da bestimmte Vorbereitungen, die Sie auf der Suche nach Inspiration und Ideen treffen?
Der normale Ablauf sieht so aus: Das Manuskript lesen bzw. sich mit dem Thema auseinandersetzen, Kaffee trinken – früher dazu rauchen, jetzt nicht mehr –, nachdenken, eine Idee für das Thema bekommen, anfangen. Skizzen erstelle ich vorher keine, sondern gehe direkt ins Reinzeichnen. Ich kann Skizzen nicht leiden und halte sie für Zeitverschwendung. Aber das ist nur meine persönliche Meinung!
Kennen Sie sowas wie Zeichenblockaden und wenn ja, wie gehen Sie damit um?
Ich kenne Zeichenblockaden, habe sie aber extrem selten. Das gehört, glaube ich, zum Handwerk: Man trainiert sich im Lauf der Jahre auf Ideenfindung, wenn man immer dranbleibt und das übt. Und das macht man ganz automatisch, wenn man beispielsweise für die Zeitung arbeitet. Wenn ich aber wirklich mal eine Zeichenblockade habe, hilft Sport, zum Beispiel schwimmen oder joggen oder auch einfach mal ausgehen und nicht daran denken, um danach wieder frisch zu sein.
Wie sieht ihr Schreibtisch aus – kreatives Chaos oder evidente Ordnung?
Eigentlich ist mein Schreibtisch recht ordentlich. Es liegt nicht alles im rechten Winkel, ist aber auch kein Zettelhimalaya.
Wie würden Sie Ihren persönlichen Zeichenstil beschreiben?
Mein Zeichenstil besteht aus klaren, starken Linien, flächigen, popartigen Kolorationen und einem Hang zum Jugendstil und Retrodesign im Allgemeinen.
Man sagt ja häufig, dass Selbstständige eigentlich nie richtig frei haben. Wie schaffen Sie es, eine gesunde Balance zwischen Privat- und Berufsleben herzustellen oder ist das utopisch?
Als mein Kind klein war, habe ich mit viel Disziplin richtige Arbeitszeiten mit Feierabenden gemacht, um Zeit für die Familie zu haben. Das verwischt allmählich immer mehr, weil ich gern auch mal in die Abende hinein arbeite. Mein Job macht mich ja glücklich und er macht mir Spaß, deswegen empfinde ich ihn gar nicht so sehr als Arbeit. Aber ich achte auch sehr darauf, dass nichts zu kurz kommt: Freunde, Freizeit, reisen, lesen, andere Sachen basteln, ausgehen etc.
Achso, und wenn ich Urlaub habe, will ich von Zeichnerei absolut nichts wissen. Dann nehme ich keinen Stift in die Hand. Die Leute sagen immer, ich würde so viel schaffen und machen. Ich denke, das Leben ist sehr kurz, wir müssen uns echt beeilen, alles unterzukriegen, was wir machen wollen und vorhaben. Aber mit ein bisschen guter Planung und, wenn es geht, ohne großen Aufschub, klappt das auch ganz gut!
Vielen Dank für das Interview!
Interview: Lena Keil
Bilder: Kat Menschik