Interview mit Annabelle von Sperber
Kill your Darling

Im Interview vorgestellt: Annabelle von Sperber, freie Illustratorin für verschiedene Verlage und Printmedien, Dozentin an der AID Berlin. Wir trafen sie in ihrem Studio, dem atelier2gestalten im Prenzlauer Berg. Los ging´s mit einer Führung durch die Räume, nicht nur ein Ort für Illustratoren, auch Kreative aus den Bereichen Fotografie, PR, Werbung und Medienrecht arbeiten hier Wand an Wand. 

Annabelle, welche Begriffe fallen dir spontan zu deinem Beruf als Illustratorin ein?

Leidenschaft, Fingerkribbeln, Atelier, Lotto spielen, Mischkalkulation, Kill your Darling, Weiterforschen, Unabhängigkeit, Vertrauen.

Lass uns das näher beleuchten – der Reihe nach:
Erstens. Leidenschaft

Ohne Leidenschaft geht es nicht! Für meine Arbeit bedeutet das Hingabe, Liebe zum Detail und Durchhaltevermögen. Der Erfolg eines Illustrators setzt sich zusammen aus siebzig Prozent Leidenschaft – die anderen dreißig Prozent sind Talent, Können und Erfahrung.

Zweitens. Fingerkribbeln

Die physische Erfahrung, einen Zeichenstift in der Hand zu halten, ist mir sehr wichtig. Das Kribbeln beginnt erst, wenn ich mit allen Techniken spiele, vor allem mit den manuellen. Die Abgabe meiner Arbeiten beim Kunden erfolgt natürlich in digitaler Form, aber ich achte auf den Eindruck des Handgemachten bei meinen Bildern.

Drei. Atelier

Ein Ort für Austausch, gegenseitige Unterstützung, Inspiration, Ruhe und Konzentration. Mein Atelier macht alles erst möglich.

Vier. Lotto spielen

Jedes Buch kann ein finanzieller Erfolg werden. Manchmal passiert das nicht sofort, sondern erst Jahre später. Wiederum ist die Qualität eines Buches nicht unbedingt der Garant für seinen Erfolg, der Markt hat seine eigenen Gesetze. Auf jeden Fall ist das Spannende an unserem Beruf, im Vergleich zum sicheren Angestelltenjob, dass der Gewinn nicht kalkulierbar ist – genau wie beim Lotto spielen. Manchmal kommt der Geldsegen, dann wieder eine Durststrecke …

Fünf. Mischkalkulation

Meine Arbeit ist eine Mischkalkulation aus Auftragsarbeiten, freien Projekten und meiner Tätigkeit als Dozentin. Seine Existenz auf mehrere Füße zu stellen, halte ich für sinnvoll.

Sechs. Kill your Darling

Immer wieder sage ich zu Studierenden: Verlasse die ausgetretenen Pfade, betrete künstlerisches Neuland! In letzter Konsequenz kann das auch bedeuten: Zerstöre deine eigenen Bilder, lass dich vom Zufall überraschen, entwickle neue Stile, finde Geschmack an neuen Techniken! Ausschließlich Mangas zeichnen wäre wie jeden Tag das Gleiche essen.

Sieben. Weiterforschen

Ich höre nie auf zu lernen, erfinde mich immer wieder neu. Fünfzehn Jahre Berufserfahrung – und die Lernkurve geht weiterhin steil bergauf! Beleg dafür ist eines meiner aktuellen Projekte. Für ein Wimmelbuch zur Kunstgeschichte setze ich zum ersten Mal Vektorzeichnungen ein. So muss ich stets am Ball bleiben. Noch ein Beispiel aus der Lehre. Bald werde ich einen Kurs "Assoziative Illustration" starten, hier geht es um neue Herangehensweisen beim Erfinden von Bildern.

Acht. Unabhängigkeit

Unabhängigkeit ist einer der großen Vorteile meines Berufs. Früher sagte ich, meine Firma passt in einen Schuhkarton, ich kann überall auf der Welt arbeiten (… heute würde mein Computer auch ganz gerne mitkommen). Es geht darum, auf niemand angewiesen zu sein, nicht warten zu müssen, einfach loslegen zu können. Mit anderen Worten, ich bin mein eigener Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann, Beleuchter, Cutter – alles in einer Person, was will man mehr?

Neun. Vertrauen

Zu meiner Arbeit gehört das Vertrauen, dass es immer weiter geht, Vertrauen in sich selbst und die eigene Arbeit. Ich habe ein gutes Vertrauensverhältnis zu meinen Lektorinnen und allen am Entstehen eines Buches beteiligten Personen. Man muss der eigenen Zukunft trauen – vielleicht mache ich mein bestes Buch mit achtzig!

Interview: Tilo Schneider
Bilder: Annabelle von Sperber

www.annabellevonsperber.de